| Neue Liebe 
 Herz, mein Herz, warum so fröhlich,
 So voll Unruh' und zerstreut,
 Als käm' über Berge selig
 Schon die schöne Frühlingszeit?
 
 Weil ein liebes Mädchen wieder
 Herzlich an dein Herz sich drückt,
 Schaust du fröhlich auf und nieder,
 Erd' und Himmel dich erquickt.
 
 Und ich hab' die Fenster offen,
 Neu zieh' in die Welt hinein
 Altes Bangen, altes Hoffen!
 Frühling, Frühling soll es sein!
 
 Still kann ich hier nicht mehr bleiben,
 Durch die Brust ein singen irrt,
 Doch zu licht ist's mir zum Schreiben,
 Und ich bin so froh verwirrt.
 
 Also schlendr' ich durch die Gasse,
 Menschen gehen her und hin,
 Weiß nicht, was ich tu und lasse,
 Nur, daß ich so glücklich bin.
 
 Joseph Freiherr von Eichendorff
 
 
 
 Es schlief ein Keim unscheinbar klein
 In meines Herzens Raum,
 Und ward an deines Lichtes Schein
 Ein großer breiter Baum.
 
 In dieses Baumes Laubgezelt
 Hat Freud' ihr Nest gemacht,
 Und singt von einer neuen Welt
 Ihr Lied bei Tag und Nacht.
 
 Und wer das Lied verstehen will,
 Ruh' unter diesem Baum,
 Und träume mit mir sanft und still
 Der Liebe holden Traum.
 
 Hoffmann von Fallersleben
 |  | Du bist so still, so sanft, so innig, Und schau' ich dir ins Angesicht,
 Da leuchtet mir verständnisinnig
 Der dunklen Augen frommes Licht.
 
 Nicht Worte gibst du dem Gefühle,
 Du redest nicht, du lächelst nur;
 So lächelt in des Abends Kühle
 Der lichte Mond auf Wald und Flur.
 
 In Traumesdämmerung allmählich
 Zerrinnt die ganze Seele mir,
 Und nur das e i n e fühl' ich selig,
 Daß ich vereinigt bin mit dir.
 
 Emanuel Geibel
 
 
 
 Neue Liebe, neues Leben
 
 Herz, mein Herz, was soll das geben?
 Was bedränget dich so sehr?
 Welch ein fremdes, neues Leben!
 Ich erkenne dich nicht mehr.
 Weg ist alles, was du liebtest,
 Weg, warum du dich betrübtest,
 Weg dein Fleiß und deine Ruh -
 Ach, wie kamst du nur dazu!
 
 Fesselt dich die Jugendblüte,
 Diese liebliche Gestalt,
 Dieser Blick voll Treu' und Güte,
 mit unendlicher Gewalt?
 Will ich rasch mich ihr entziehen,
 Mich ermannen, ihr entfliehen,
 Führet mich im Augenblick,
 Ach! mein Weg zu ihr zurück.
 
 Und an diesem Zauberfädchen,
 Das sich nicht zerreißen läßt,
 hält das liebe, lose Mädchen
 Mich so wider Willen fest;
 Muß in ihrem Zauberkreise
 Leben nun auf dieser Weise.
 Die Veränderung, ach, wie groß!
 Liebe! Liebe! laß mich los!
 
 Johann Wolfgang von Goethe
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