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Uwe Pfeiffer |
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wie man ein kürbisgesicht schnitzt
die tage laufen kürzer, verlaufen sich, laufen aus, bunter, loser, fallen,
taumeln wie abreißtage vom blattlaubkalender. reiß die reste ab,
gurrt die ringeltaube im jahresbaum, scheißt weißes glück und
zieht keine größeren kreise. alles nur herbst, sagt oktober, der
schnee von gestern fällt in die nächste jahreszeit. wozu sich jetzt
sorgen?
am 31ten, erinnert mich natascha, ist halloween, sie maskiert sich bereits.
ihre grauen augen schwimmen traurig über ein unter deckenkaros verstecktes
gesicht.
"halloween", lache ich los, "wir feiern fremd in trendbestickten
federbetten". natascha schüttelt einen federkiel aus meiner bequemen
bettkopfkissenwohnung, setzt den rotstift an. "alles hat
vergangenheit!", schnauft sie, schnaupt, schaufelt worte wie schnee aus
der anstehenden winterlandschaft. "lawinengefahr!", denke ich
unruhig, "ihre worte brechen auf, ich werde einbrechen, sie spricht von
halloween und mein glatteis eselt haltlos unter mir davon."
wie man ein kürbisgesicht schnitzt
der oktobertag kroch spät aus seinem nebelbett, ging gebeugter und knickte
gähnend am nachmittag ein. die glücklicheren bilder hängen
schief an der wohnzimmerwand.
heute haben wir wieder unsere tagebücher voreinander aufgeschlagen. wir
haben ihnen tauschbare namen gegeben. natascha nennt sie "ja, so war
das" und "nein, ganz anders". unsere kopfvogelscheuchen, sagt
sie, sind feige geworden, an altweibischen spätsommertagen tanzen sie in
luftigen kleidern durch den sonnigen mais, aber in regenstunden hüpft
ihnen eine schwarze krähe zwischen die zeilen. die krähe, sagt
natascha, probt ein verlegtes abschiedslied.
wie man ein kürbisgesicht schnitzt
das junge laub hatte sich von den baumrockzipfeln losgerissen und wirbelte
tollkühn über die vorfahrtsstraßen, verharkte sich ungeschickt
im detail, ignorierte ampeln und anzeichen.
wenn sich dein sprechakt entblößt und ins gerede kommt, erklärt
mir natascha, schleichen sich die struppigsten nebenworte durch die
hintertür, um später störend anzuklopfen. unterdessen hockt hoch
oben in der nacht eine altkluge eule und lauert ungeduldig die dunkleren ecken
aus. aber die eule kennt die moral dieser geschichte nicht. sie flüstert
mir zu, wie gut es wäre sich auszusprechen und meint damit ...
ein sich ins aus sprechen.
Oktober 2008 |
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